MUSTANG-TREKKING 4. Tag

06. Mai 2011, Tsarang - Lo Manthang, 4h

Die Landschaft des Königreiches ist von einer betörenden, stillen Schönheit. Öde, karg und arm an Vegetation. Die Formenfülle der bizarren Felsformationen und die tiefen Schluchten zeugen von einer langen Geschichte.

 

Um 8.00 Uhr nehmen wir Abschied vom gastlichen Royal Mustang Hotel. Wir laufen durch das Dorf, vorbei an einem Straßenbaufahrzeug und verlassen Tsarang bei zwei Chörten. Wir steigen hinunter zum Tsarang Chu, passieren ein kleines Pappelwäldchen, einen wunderschönen Chörten und überqueren den Fluss auf einer blauen Stahlbrücke. Neben tibetischen Pappeln und Weiden an Bewässerungskanälen findet man in Mustang häufig Wacholdersträucher und –bäume sowie vereinzelt Tränenkiefern und Bergzypressen. Da Brennholz rar und deshalb sehr teuer ist, wird hauptsächlich mit Tierdung oder Gas geheizt.

 

Wir steigen aus dem Flusstal auf, sind fast wieder auf gleicher Höhe wie Tsarang und haben einen schönen Blick auf den Ort. Wir begleiten ein Stück einen Hirten mit seiner Ziegenherde. Ein heller, pfeifender Ton klingt in der Luft, der Hirte hat eine Schleuder dabei und hütet damit seine Herde. Mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken an einen verirrten Stein. Nun folgt ein zweistündiger, langweiliger und anstrengender Hatscher auf der Schotterpiste und unter brennender Sonne bis zu einem einsamen Chörten, der die Grenze zwischen Tsarang und Lo markiert. Die einzige Abwechslung sind zwei Lopa-Reiter, die uns einstauben und uns rasch überholen.

 

Der alte Name des Landes ist „Lo“ (Süden) und die Bewohner bezeichnen sich auch heute noch häufig als Lopas. Die Lopas sprechen einen tibetischen Dialekt (Lokye) und sind Buddhisten. Der Begriff Mustang ist erst durch die Touristen aufgekommen, vermutlich eine Verfälschung von Lo Manthang.

 

Am Chörten machen wir nur eine kurze Pause und folgen weiter der eintönigen Wüstenstrasse, auf und ab, durch eine graue, unwirkliche und staubige Mondlandschaft. Ich sammle etwas von dem bläulichen, bröseligem "Gestein" in ein Gläschen ein. Mich interessiert seine Zusammensetzung. Ich werde es daheim untersuchen lassen. Es kommt uns ein Traktor entgegen. Wir halten die Luft an und schlagen einen großen Bogen um das Fahrzeug, der Staub ist unerträglich. Wir müssen uns in Lo Manthang unbedingt einen Staubschutz kaufen.

Mit dem Bau dieser Strasse und der vorsichtigen Öffnung der Grenze zu Tibet hat sich das Leben in Mustang sehr verändert. Einerseits sind alle Gebrauchsgüter billiger geworden, andererseits ist der langfristige Einfluss auf Kultur und gesellschaftliche Strukturen nur schwer abzusehen.

 

Wir kommen an einer Wegmarkierung vorbei und kurz darauf sehen wir Gebetsfahnen, wir sind am Lo La (3950m). Durch einen Hohlweg erkennen wir am Horizont einige Häuser, [Lo Manthang] (3840m), das Ende der Welt.

HERBERT TICHY schreibt: “Von einem Pass aus sahen wir, noch im hellen Licht der hohen Sonne, unser Ziel: Mustang. Weite, goldgelbe Getreidefelder, dahinter schwere, schwarze Wolken, die schon über Tibet schwebten, zwei weiße Gipfel, senkrecht, rote Felswände – und dazwischen eine kleine Stadt, die von einer hohen, rechtwinkligen Mauer eingeschlossen war.“

 

Es ist noch ein langer Weg zur Stadt und zum Stadttor. Um kurz vor 12.00 Uhr erreichen wir unser heutiges Ziel und unsere Unterkunft, Mystique Himalayan Resort außerhalb der Stadtmauer. Diese Etappe hat mir auf der gesamten Trekkingtour landschaftlich am wenigsten gefallen. Ich bin fix und fertig und mein erster Eindruck von Lo Manthang ist etwas enttäuschend.

 

Lo Manthang bedeutet "Ebene der Sehnsucht", es ist die Hauptstadt und größter Ort in Mustang. Die ummauerte Stadt wurde im 14. Jahrhundert gegründet. Sie ist Wohnsitz des Königs, historisches, religiöses, kulturelles und politisches Zentrum von Mustang. Neben bedeutenden Klöstern findet man in Lo Manthang auch verschiedene Schulen.

1962 lebten in Lo Manthang 12 Adlige, 60 Mönche, 152 Familien und 8 praktizierende Hexen. Heute besteht die Stadt aus 150 Häusern mit ca. 1.100 Einwohnern, die Zahl der Hexen ist unbekannt.

 

Wir bekommen ein großes Zimmer mit Dusche und WC und das am "Ende der Welt"! Wir duschen und ziehen uns um. Ich habe eine große Blase am Fuß und weiß nicht wie es daheim läuft, bin etwas unglücklich. Werde versuchen später anzurufen.

Wir unternehmen eine " Runde" durch Lo Manthang, man verirrt sich leicht in den engen Gassen, aber da es nur einen Ausgang gibt findet man auch leicht wieder heraus. Es sind nur wenige Lopas im Freien. Ein kleines Mädchen sitzt auf der "Straße" und wäscht seine Haare an einer Wasserstelle, mehrere ältere Frauen spinnen in der Sonne. Ich habe Hemmungen sie zu fotografieren. Man sollte auch nicht auf jedes schöne Motiv draufhalten!!!

Überall liegt Tierkot herum, wahrscheinlich zum Trocknen und in einer schattigen Ecke entdecken wir einen kleinen Haufen Schnee. Später erfahren wir, dass der letzte Winter sehr hart war und 3m Schnee brachte. Wir kommen am Königspalast vorbei, ein gammeliger Kasten, 600 Jahre alt, mit vielen Rissen in der Mauer. Die Shops werden für uns geöffnet und jeder steckt uns seine Visitenkarte zu, aber wir kaufen nur einen Mundschutz ein. Sind wir die einzigen Touris in Lo Manthang? Angenehm ist, dass wir von keinem angebettelt werden, nicht einmal von den kids.

 

Ich denke in ca. 3 Wochen sieht es hier anders aus, dann findet nämlich das bekannte, jährliche [Tiji-Festival]  (29.-32.Mai 2011) statt und man wird in ganz Lo Manthang kein freies Bett mehr bekommen. Das war mit ein Grund uns für  Anfang Mai als Trekking-Termin zu entscheiden.

 

Wir registrieren uns im ACAP-Office und gehen dann wieder zurück zur Lodge, es ist einfach zu windig. Unterwegs sehen wir Fleisch, das im Freien hängt und zwei Mastiffs, die zum Glück aber nur träge herumliegen. Mastiffs, so ein Zitat, sollen angeblich darauf trainiert sein über alles herzufallen was nicht in Möchsrot daherkommt.

 

Purna will sich um die morgige Audienz beim König kümmern. Wir begutachten die Speisekarte, sie ist eigentlich in jeder Lodge gleich, natürlich mit geringen Qualitäts- und Preisunterschieden.

Hier eine kleine Auswahl: Bier (Tuborg, Everest, 650ml) 320NR, Cola (0,5l) 160NR, Black Tea medium 360NR, Wasser (1L) 150NR, Tsampa 120NR, veg. Noodle Soup 150NR, Omelett 150NR, veg. Chowmein (Nudeln) 160NR, veg. Pizza 210NR usw.

 

Ich telefoniert nach Hause. Meiner Mutter geht es wieder besser und auch sonst ist alles o.k., bin sehr froh darüber. Abends sitzen wir in der warmen Küche. Sie ist gut besetzt, eine größere Gruppe Studenten ist angekommen, aber wir sind die einzigen Touris. Wie sich später herausstellt sind die Studenten alles gebürtige Lopas die in Kathmandu oder Pokhara studieren und ein Wörterbuch Nepali-Lokye schreiben wollen.

Die Bevölkerung Los muss einen unglaublichen Spagat leisten, zwischen ihrer eigenen kulturellen Identität (Sprache, Glauben) und der Zugehörigkeit zu Nepal, das nicht nur eine andere Sprache und Schrift hat, sondern auch einen ganz anderen Glauben.

 

Das Essen ist vorzüglich und anschließend spielen wir zu fünft (ein Student spielt mit) bis zum Abwinken Schwimmen und Reinhard und ich spendieren einige kalte Bierchen. Langsam werden die Karten speckig und das Kartenspiel für uns langweilig, aber nicht für unsere Freunde.

 

Morgen um 16.00 Uhr haben wir unsere gewünschte Audienz beim König. Unser Lodge-Wirt wird sich um alles kümmern und als Übersetzter mit uns gehen. Ein glasklarer Sonnenuntergang mit herrlichen Lichteffekten beendet unseren ersten Tag in Lo Manthang, the walled city am Ende der Welt.

 

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