26) Freitag, 25.10.2002 Ghandruk (1940m) – Naya-Pul (1000m) – Pokhara (800m)

 

  Habe sehr gut geschlafen, um 6.40 Uhr heißt es aufstehen. Annapurna Süd bekommt bereits die ersten Sonnenstrahlen ab. Der heutige Sonnenaufgang ist fast so schön wie vorgestern Morgen auf dem Poon Hill, nur genießen wir den sunrise direkt vom Schlafsack aus.

  Um 7.45 Uhr machen wir uns auf die letzte Etappe unserer Annapurnaumrundung, etwas Wehmut kommt doch auf. Über kunstvoll, verlegte Steinplatten, oder steil bergab auf fantastischen Treppen wandern wir durch eine wunderschöne Kulturlandschaft in 2 Stunden bis hinunter zum Fluss Modi Khola. Ich bin froh, dass ich hier nicht hochlaufen muss. Ich bemitleide die Trekker, die uns verschwitzt und kurzatmig entgegenkommen. So eine extreme Schinderei als Einstieg für eine Trekkingtour ist wirklich hart, dann doch lieber das Ganze anders herum. In unserem Rücken haben wir stetig die  eindrucksvolle Silhouette des Machhapuchhares (Fish Tail), ein heiliger Berg, dessen Gipfel noch nicht offiziell bestiegen wurde, was auch strengstens verboten ist.

 

  Wir kommen an vielen kleinen Ortschaften oder einzelnen Gehöften vorbei, die inmitten herrlicher Reisterrassen liegen, die teilweise schon abgeerntet sind. Die Reisgarben liegen in Büscheln auf den Feldern. In einigen Gärten blühen violette Bougainvilleas, ein toller Kontrast zum Schnee auf dem FishTail. Unterwegs kaufen wir uns Bananen und harte Guaven. Nach 2 Stunden sind wir endlich unten am Fluss, der Weg ist jetzt bequemer. In Shauli Bazaar (1140m) machen wir eine kleine Lemmon-Tea Pause. Ich beobachte dabei ein kleines Kind, das eine dicke "Pamperspackung" in der Hose hat und auf der Straße mitten im größten Dreck spielt. Es ist wieder sehr warm und die Sonne brennt unbarmherzig herab. Selbst die Wasserbüffel suchen den Schatten in ihren primitiven Unterständen auf. Der Zitronentee erfrischt und löscht prima den Durst. Wir sitzen im Schatten und schauen den Schmetterlingen zu, die um die bunten Blüten fliegen. Sie lassen sich leider nur sehr schlecht fotografieren. Nach Birethanti ist es jetzt sicher nicht mehr weit. Purna kauft uns unterwegs einige Guaven, aber leider sind sie so hart, dass man sie nur wegwerfen kann, schade. Der Weg ist jetzt fast eben, immer am Fluss entlang und ab und zu gibt es, zum Glück, auch etwas Schatten.

  Nach weiteren 1.5 Stunden erreichen wir endlich Birethanti (1030m). Es ist ein schöner, sauberer Ort mit vielen Geschäften und gut aussehenden Lodges. Gleich neben der großen Eisenbrücke, die den Modi Khola überspannt, machen wir Mittagspause. Ich bin ganz schön fertig, obwohl es heute nur bergab ging, aber ich denke, das ist die Summe der dreiwöchigen anstrengenden Trekkingtour, der Körper ist jetzt völlig fertig und alle Reserven sind aufgebraucht. Wir sitzen im Schatten im Freien, essen etwas, ich trinke zwei kalte Lemmon-Fantas und mache mich anschließend auf die Suche nach einer Bäckerei, die es hier geben soll, aber leider ist meine Suche vergebens.  In der Lodge unterhalten wir uns mit deutschen Trekker. Das Mädchen hat sich mit vielen Pflastern die Füße verarztet. Sie trinken einen Lassie (Yoghurtgetränk) nach dem anderen und hoffen, dass sie sich keinen Durchfall einfangen.

 

  Nach einer Stunde Pause gehen wir weiter. Bevor wir die eiserne Brücke überqueren können, müssen wir am police-check-point zum letzten Mal unsere, in der Zwischenzeit zerfledderten, Permits vorzeigen.
  Überall blühen prachtvolle Pflanzen, die meisten sind uns unbekannt. Die halbe Stunde bis nach Naya-Pul ist ein Schock. Links und rechts des Weges gibt es nur primitive, zusammengenagelte Geschäfte und Garküchen (bhattis). Wir kommen uns wie in einem riesigen Slum vor. Es ist dreckig, es stinkt und überall liegt Müll herum. Das ist nicht die Zivilisation, die wir erhofften, heute zu erreichen. Wir hören die ersten Autos, aber von einer Strasse ist weit und breit nichts zu sehen. Es geht  noch einmal, kurz aber steil, den Berg hinauf. Die Häuser kleben am Hang und stehen auf Holzpfeilern. Wir laufen über Plastiktüten und anderen Müll und stehen urplötzlich neben der Straße.
  Wir fahren nicht mit dem local bus nach Pokhara, wir mieten uns für 500 NPR ein kleines Taxi. Wir sagen dem Fahrer, er solle sich Zeit nehmen und nicht so rasen, er hält sich daran. Die Straße ist gut ausgebaut, der Verkehr nur mäßig, meistens nur Busse oder Lastwagen. Der Fahrer erzählt uns, dass er froh ist, wenn er an einem Tag eine Fahrt machen kann und nicht umsonst in Nay-Pul auf Touristen wartet. Für die 43 km brauchen wir 1 ¼ Stunden. Unterwegs haben wir einmal einen tollen Blick auf Pokhara und auf den See. Der Fahrer hält kurz an und lässt uns schauen. Kurz vor Pokhara liegt eine Menge Stroh auf der Strasse. Unser Fahrer bremst und fährt sehr langsam über das Getreide. Wir erfahren, dass hier mit diesem „modernen“ Verfahren Kräfte schonend gedroschen wird.

 

  Wir kommen nach Pokhara und unser Fahrer sucht in Lakeside verzweifelt das ABC-Hotel. Es dauert eine Weile, aber dann entdecke ich zum Glück ein Hinweisschild auf das Hotel und um 14.30 Uhr sind wir endlich da. Pokhara hat ca. 50.000 Einwohner. Noch vor 50 Jahren war der Ort ein kleiner ärmlicher Flecken. Mittlerweile ist Pokhara Nepals bedeutendster Fremdenverkehrsort. Mit seinem wunderbaren Bergpanorama, seinem milden Klima und der herrlichen Lage am Ufer des Fewa-Sees lockt die Stadt  jedes Jahr tausende von Touristen an. Hier findet man tropische Blütenpflanzen und manchmal auch Bananenstauden in den Gärten und selbst im Dezember sind 25°C keine Seltenheit. Seit den achtziger Jahren befindet sich der Touristenschwerpunkt in Lakeside. In den siebziger Jahren gab es hier nur einige Hütten, mittlerweile reihen sich ein Geschäft (vor allem Trekking Agenturen) und ein schönes Hotel an das andere.

 

  Kaum sind wir im Hotel, steht plötzlich der Porter mit dem Radio vor uns. Es ist Madans und Sushils Cousin Chrishna, was für ein Zufall. Wir hatten ihn unterwegs öfters getroffen und er wusste auch, dass wir gleichzeitig mit ihm unterwegs waren, nur nicht, wie wir aussehen. Er gibt uns seine Adresse und lädt uns gleich ein, ihn in Kathmandu zu besuchen. Wir werden von Onkel Hari herzlich empfangen und er bringt uns aufs Zimmer im ersten Stock. Wir sind begeistert, alles ist Bestens, wir sind mit dem Zimmer sehr zufrieden. Auch hier gibt es wie in Kathmandu keinen Schrank im Zimmer.  Jeder bekommt eine Ecke, wo er sein Gerümpel abstellt. Wir fragen Hari nach einer German Bakery, er gibt uns den Tipp: Boomerang Restaurant with German Bakery, gleich um die Ecke. Wir duschen und dann gehen wir die paar Meter zur Bäckerei. Uns laufen die Augen über! Wir kaufen köstlichen Käsekuchen und richtigen Kaffee, setzen uns in den tollen subtropischen Garten und relaxen. Hier ist Trekker Paradies!!

  Wir kommen mit zwei deutschen Trekker ins Gespräch. Obwohl der eine nicht sehr sportlich aussieht, hat er den Pass in einer sehr extremen Art bezwungen: Flug nach Jomson. Am andern Tag nach Muktinath laufen. Am nächsten Tag auf den Pass und wieder zurück. Er sieht wirklich nicht sehr fit aus, es stellt sich aber heraus, dass er Besitzer eines Mountainbikegeschäftes ist und deshalb oft mit dem Bike unterwegs ist. Es ist schon einleuchtend: Wenn man schnell ist, bricht die Höhenkrankheit erst gar nicht aus, aber wer hat schon die Kondition zu so einer Gewalttour?

 

  Wir gehen zurück zum Hotel, Madan hat angerufen und sich erkundigt, ob wir gesund und munter angekommen sind. Purna will mit dem Nachtbus nach Kathmandu zurückfahren, ihm ist es hier zu teuer. Wir machen mit ihm einen Treffpunkt in Kathmandu aus: 30.10. 10.00 Uhr im Tibet-Guest-House. Ob das klappt? Ich telefoniere nach Hause, es gibt keine Probleme. Zu unserer Freude und Überraschung besuchen uns Sven und Daniela; wir wollen uns heute Abend im Hard-Rock-Cafe um 20.00 Uhr treffen.

  Wir sind begeistert von Pokhara, hier gibt es alle Annehmlichkeiten der Zivilisation: Richtig Urlaub machen, faulenzen, Shopping, tolle Gegend, nicht so hektisch wie in Kathmandu, man wird nicht überall angebettelt, man kann gemütlich einkaufen, kurzum Erholung pur und das ABC-Hotel mitten drin. Es ist ziemlich leer, nur wenige Touristen sind hier, das ist uns schon im Boomerang-Restaurant aufgefallen. Reinhard hat auf dem Weg zum Hotel für Gregory einen Dolch erstanden, der Händler wollte zuerst 850 NPR, aber Reinhard hat ihn auf 400 heruntergehandelt. Der Verkäufer wird trotzdem noch ein gutes Geschäft gemacht haben. Im Gegensatz zu Reinhard, tue ich mich mit dem Handeln noch etwas schwer, es ist blöd wenn man nicht weiß,  was das Zeug wirklich wert ist.

  Wir gehen essen, es ist billiger als in den Lodges unterwegs. Anschließend schlendern wir die Hauptstraße auf und ab. Dabei treffen wir auf das deutsche Ehepaar mit Hanna und Malte und auf Sven und Daniela. Wie ausgemacht besuchen wir zusammen das Hard-Rock-Cafe und sitzen bis 22.00 Uhr im Freien. Leider ist auch hier nicht viel los, es sind nur sehr wenige Gäste anwesend und die Band ist auch nicht so das Gelbe vom Ei.

  Sven und Daniela sind schon seit gestern in Pokhara. Morgen wollen sie mit dem Bus nach Chitwan in den Nationalpark fahren und anschließend noch einige Tage in Bhaktapur verbringen. Wir werden sie also nicht mehr in Kathmandu treffen. Wir verabschieden uns herzlich voneinander. Die beiden waren sehr nette Reisegefährten. Wir tauschen unsere Adressen aus und hoffen, dass wir uns daheim einmal treffen werden, wir wohnen ja nicht so weit voneinander entfernt.

 

  Zurück im Hotel erfahren wir von Onkel Hari, dass Sushil schon zweimal da war und auf uns gewartet hat. Ich habe jetzt meine 20.000 NPR (250$) aufgebraucht, Reinhard wird mir ein paar Dollars auslegen. Morgen müssen wir einiges erledigen. Die Bustickets nach Kathmandu für den Greenline-Luxusbus besorgen, den Rückflug bestätigen lassen und mehrere Emails schreiben. Sushil will morgen zum Frühstück kommen, auf jeden Fall bin ich member of the family, das ist doch schon etwas.

  Wir gehen früh schlafen. Draußen ist es ziemlich laut, sie spielen noch um 22.30 Uhr  auf der Straße einer meiner Lieblingsbands R.E.M. Es ist auch laut im Hotel, es hört sich fast an, als ob jemand umzieht. Jetzt erklingt auch noch schrille Flötenmusik, wäre bei uns um diese Uhrzeit undenkbar. Habe noch keine Ahnung was ich meiner Familie an Souvenirs mitbringen soll, überall gibt es dieselben Mitbringsel zu kaufen, aber ich denke, irgendwas mit Musik wird es sein.

 

nächsten 3 Tage

 

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