18) Donnerstag, 17.10.2002  Kagbeni (2810m) - Tukuche (2590m)

 

  Um 5.30 Uhr kräht der Hahn. Gut geschlafen, trotz Doppelbett und sehr dünnen Wänden, wir hören jedes Wort von Sven und Daniela. Meine Knie haben die insgesamt 2500m Abstieg überraschend gut überstanden. 6.15 Uhr aufstehen, frühstücken, herrliches Wetter und freier Blick auf die Nilgirigruppe. Eine große Gruppe Italiener frühstücken mit uns. Bevor wir aufbrechen, gehe ich noch geschwind durch das nahe Tor, vorbei an den Gebetsmühlen, bis zu dem kleinen Grenzposten nach Mustang. Da niemand anwesend ist, nutze ich die Gunst der Stunde und laufe ein paar Schritte nach Upper Mustang hinein und mache einige Fotos. Das Flusstal liegt noch vollkommen im Schatten, nur die Bergspitzen werden von der Sonne beschienen. Mustang wäre sicher eine Reise wert, aber 700$ für 10 Tage und dann nur in Gruppen, das ist schon ziemlich viel Geld. Das reicht locker für 5 Wochen Nepal!

  Im Diningroom fällt mir ein metallener Behälter mit Hahn auf. Ich erkundige mich danach. Er enthält sauberes Wasser, kostenlos für die Trekker. Auch so erspart man der Natur zig-tausende von Plastikflaschen. Die ACAP hat in den letzten Jahren schon einiges bewegt und die Lodgebesitzer auf Abfall- und Umweltprobleme sensibel gemacht.

 

  Um 7.45 Uhr marschieren wir los. Wir laufen zuerst am linken Ufer auf einem breiten Weg entlang des Kali -Gandaki-Flusses. In seinem riesigen, steinigen Flussbett führt er nur sehr wenig Wasser. Mehrere kleinere Flussläufe durchziehen das Kiesbett. In der Monsunzeit wird es sicher voll sein. Obwohl der Weg auf der linken Seite weiterläuft, wechseln wir über eine lange Hängebrücke auf die andere Seite und bekommen prompt Probleme. Der Weg verläuft jetzt im Flussbett, d. h. wir müssen mehrmals Wasserläufe durchwaten. Also, Schuhe aus und durch. Ich gehe in meinen Sandalen und habe vorsichtshalber gleich die Socken ausgezogen. Wir sind heute mit überraschend vielen Trekker unterwegs. Einige Träger tragen ihre Kunden durch die kalten Wasserläufe. Purna macht sich einen Scherz und lässt sich samt Rucksack ebenfalls huckepack nehmen. Manchmal müssen wir erst Steine herbeischleppen und eine Furt bauen. Zu Beginn ist es recht lustig und alle haben ihren Spaß daran. Bei einer Überquerung lasse ich meinen Fotoapparat aus Unachtsamkeit liegen, zum Glück ist es Reinhard aufgefallen.

 

  Den ganzen Weg nach Jomson wandern wir im steinigen Flussbett mit Blick auf die Nilgirigruppe. Es strengt sehr an, immer auf diesem Geröll zu laufen. Langsam wird es auch wärmer und in dem engen Tal, dem tiefsten der Welt, kommen wir ganz schön ins Schwitzen, trotz des immer stärker werdenden Windes. Daniela geht es heute nicht gut. Sie und Sven bleiben weit zurück. Mich wundert, dass ich mir noch nichts eingefangen habe. Schon von weitem sehen wir die ersten Häuser von Jomson, aber es ist noch ein langer Weg bis dorthin. Eine Gruppe sportliche Italienerinnen sind mit uns unterwegs. Ich beneide alle, die ohne Gepäck oder nur mit Minirucksack unterwegs sind. Meine Schultern tun mir ganz schön weh, ich unterstütze oft mit den Händen meinen Rucksack und habe so etwas Erleichterung.

  Endlich um 10.15 Uhr sind wir in Jomson. Wir überqueren die Holzbrücke am Ortseingang. Auf den Wiesen zwischen den Wasserläufen weiden viele Pferde. Wir laufen die Hauptstraße entlang und bekommen auch den berühmten Traktor zu Gesicht.

  Jomson ist ein relativ großer, nüchterner Ort mit wenig Atmosphäre. Er ist Verwaltungssitz des unteren Mustangs und hat einen Flughafen. Aufgrund des vormittags einsetzenden starken Windes kann man hier nur am frühen Morgen landen oder starten. Manchmal fallen die Flüge auch tagelang aus, deshalb ist es besser, man verlässt sich auf seine Beine. Jomson ist in zwei Teile getrennt, dem alten Dorf und dem neuen Flugplatzviertel. Beide Teile liegen aber dicht beieinander. Im neuen Ortsteil spielt sich das Touristenleben ab. In einem Telefonshop gelingt es mir, nach langen Bemühungen, um 11.00 Uhr endlich daheim anzurufen (2 Minuten 400 NPR). Es scheint alles in Ordnung zu sein.

 

  Inzwischen sind auch Sven und Daniela eingetroffen. Daniela ist fix und fertig, sie hat Fieber. Die beiden wollen deshalb die Nacht in Jomson verbringen. Wir gehen zusammen in ein Hotel, bestellen Tee und essen Kuchen. Kurz vor 12.00 Uhr verlassen wir Jomson. Der Wind hat gewaltig zugenommen. Man fühlt sich wie in einem Windkanal, manchmal sogar wie in einem Sandstrahlgebläse. Er bläst uns entgegen. Wir müssen uns verkleiden wie  Bankräuber: Sonnenbrille, Hut, Mundschutz. Ein Schal oder Tuch als Mundschutz ist hier ein unbedingtes Muss. Der Weg verläuft wieder stellenweise im Flussbett, aber auch manchmal auf einem sehr breiten Schotterweg. Es hat den Eindruck, dass hier schon eine Straße bis nach Jomson geplant ist.

  Unterwegs treffen wir wieder einige Mountainbiker. Nach 1.5 Stunden erreichen wir den wunderschönen Ort Marpha. Blitzsaubere, schneeweiß gekalkte Häuser, die Hauptstraße mit breiten Natursteinen belegt, darunter befindet sich der Abwasserkanal, machen auf uns einen sehr einladenden Eindruck. Ein wirklich fein herausgeputzter Ort mit geschmackvollen Geschäften, wo es sich anbietet, einen Tag auszuspannen. In Marpha werden in großen Obstplantagen Äpfel und Aprikosen angebaut und zu Trockenobst und Brandy verarbeitet. Die vielen Lodges wetteifern um das beste Menü und um die feinsten Kuchen, hier ist Trekker-Paradies, der Apfelkuchen-Treck hat angefangen.

  Purna steuert eine Lodge mit schönem Innenhof, zum Schutz gegen den Wind an. Wir trinken schmackhaften Apfelcidre und essen frischen Apfelkuchen. Anschließend isst Reinhard noch richtig zu Mittag, er scheint heute einen guten Appetit zu haben. Es ist schön hier zu sitzen und zu relaxen. Neue Gäste kommen herein, Vater und Sohn aus Deutschland.

 

  Um 14.00 Uhr machen wir uns weiter auf den Weg nach Tukuche. Der Wind ist jetzt noch  heftiger. Trotz Mundschutz ist der ganze Rachen voller Staub. Nach Marpha ist die Landschaft wieder richtig grün, überall Apfel- und Aprikosenplantagen. Je weiter wir uns von Marpha entfernen, desto schlechter wird das Wetter. Am Himmel türmen sich dicke Wolken und in unserer Marschrichtung sieht es gar nicht gut aus. Es fängt sogar leicht an zu regnen. Wir geben mächtig Gas, selbst Purna bleibt etwas zurück. Ist es das schlechte Wetter oder der Apfelcidre, der uns antreibt?

  Zum Glück erreichen wir noch trocken um 15.30 Uhr Tukuche. Am Ortseingang müssen wir einige Zeit auf Purna warten. Er führt uns in die tolle „Tukuche Guesthouse Lodge“ mit ihrem prachtvollen, mit Blumen und Kürbissen geschmückten Innenhof, und mit den in blau gehaltenen Treppen und Innenbalkonen. Ein echtes Juwel.

 

  Tukuche war früher das Dorf, in dem der Zoll auf das Salz erhoben wurde, das nach Tibet transportiert wurde. In diesen Innenhöfen verbrachten die Karawanen die Nacht. Den früheren Reichtum sieht man noch heute an den kunstvoll geschnitzten Holzfenstern. Durch das Ende des Salzhandels wurde Tukuche am schlimmsten betroffen, da er einen großen Teil des Einkommens des Dorfes einbrachte. Erst durch den Tourismus gab es wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung. Auch Tukuche hat eine Destillery und die Hauptstraße ist wie in Marpha mit Steinplatten schön gepflastert. Unsere Erfahrung:  Ist die Hauptstraße schön gepflastert und sauber, ist der ganze Ort ordentlich.

  Wir waschen und duschen wie üblich. Bad und WC sind tip top und die Wirtsleute sehr freundlich. Um 16.30 Uhr sitze ich im verglasten Dachrestaurant schreibe und trinke ein Glas frisch gepressten Apfelsaft. Eine deutsche Familie mit zwei kleinen Kindern ist auch hier oben. Die Mutter malt mit den Kindern, Hanna und Malte. Mein Magen meldet sich, hoffentlich gibt der frische Apfelsaft keinen Durchfall. Bis jetzt hat es noch nicht geregnet. Der heutige Weg war sehr einfach, meistens flach und gut in Sandalen zu gehen, nur der starke Gegenwind machte uns zu schaffen.

  Der Speiseraum ist recht groß und mit viel bunter, nepalesischer Kunst geschmackvoll eingerichtet. Mehrere wunderschöne Thankas (tibetische, religiöse Rollbilder) hängen an der Wand. Auch hier gibt es wieder einen Wasserbehälter, wo man seine Trinkflasche kostenlos füllen kann. Ich esse heute mein zweites Daal-Bhaat. Man bekommt soviel Nachschlag, bis man platzt. Als es kalt wird, bringt die Wirtin wie in Muktinath glühende Kohlen und stellt sie unter den Tisch. Wir reden noch einige Zeit mit dem deutschen Ehepaar. Wir wissen nicht, dass uns diese nette Familie sogar noch im Bus nach Pokhara begleiten wird. Um 21.00 Uhr gehen wir  aufs Zimmer.

 

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